Lady Harris und die Korrespondenz mit Crowley, Teil I

crowley-harris2Über Aleister Crowley ist nicht viel Gutes überliefert. Kein einfacher Charakter soll er gewesen sein und ein „Enfant Terrible“, das nicht nur das viktorianische Zeitalter zu provozieren wusste, sondern selbst unsere tabulose Nachwelt immer noch in Aufregung versetzt. Obendrein, so die Überlieferung, soll er auch noch heroinabhängig gewesen sein.
Selbst jene, die in ihm keinen Provokateur oder Satanisten sehen, haben in erster Linie nur Schlechtes über ihn zu berichten. So ist selbst im Vorwort seines eigenen Buches „Toth“ ausschließlich von einem äußerst schwierigen Menschen die Rede, unter dem auch Lady Frieda Harris, der Künstlerin seiner legendären Karten, gelitten haben soll. So wird sie mit den Worten zitiert, dass sie „ständig damit beschäftigt sei, den Verdacht zu zerstreuen, dass Sie, Aleister Crowley, entweder versuchen, die Öffentlichkeit auf den Arm zu nehmen oder sie mit einer neuen gefährlichen Weltanschauung zu vergiften“ (aus: Vorwort aus dem „Buch Thoth“ von Aleister Crowley). Und auf dem deutschen Wikipedia heißt es gar: „(…) die Briefe belegen, dass Frieda Harris sich angemessen von Crowley distanzieren konnte, so dass sie zu den wenigen Menschen gehörte, denen die Freundschaft mit Crowley nicht geschadet hat“. Tatsächlich belegen die Briefe aber etwas anders als ein distanziertes Verhältnis.

Wir wähnen uns in einem toleranten und aufgeklärten Zeitalter, in dem Verbrecher nicht bestraft, sondern resozialisiert werden.
Für Fehlverhalten findet man meist Ursachen in der Kindheit. Doch wenn es um erklärte Feindbilder geht, dann scheint es wiederum kein Pardon für jene zu geben, die irgendwie gegen den Mainstream schwimmen – vielleicht ist das ein Naturgesetz. Eigentlich ist es überflüssig zu sagen, dass kein Mensch der Erde ausschließlich schlecht ist, so wie es kaum jemanden geben dürfte, der nur gut ist. Und so ist es auch gut, dass selbst die größten Außenseiter oder Sündenböcke trotz allem Menschen an ihrer Seite haben, die sie bis zum Tode schätzen oder lieben, so auch Crowley. Doch abgesehen davon, belegt die überlieferte Korrespondenz, dass das Verhältnis zwischen Harris und Crowley problemloser verlief als bisher angenommen. Und dass Lady Harris Crowley gelegentlich in die Schranken zu verweisen wusste (besonders wenn es um die Finanzen ging). Die Kopien der Originalbriefe beschreiben nämlich sowohl Harris als auch Crowley als spirituell ernsthaft Suchende, die befreundet waren und einen warmherzigen, lockeren Umgang pflegten. Lady Harris bringt in den Briefen mehrmals zum Ausdruck, wie sehr sie Crowley als Lehrer schätzt. Crowley hingegen motiviert und ermutigt sie in schwierigen Zeiten, rät ihr, weniger Selbstzweifel zu haben und schlägt ihr vor, sie in das hermetische Wissen einzuweihen  – keine Selbstverständlichkeit in einer  Zeit, in der man Frauen das Recht auf Wissen und Bildung meist absprach.

harris-clip1Mit Grüßen wie „ever yours“ oder „yours in admiration“ schließt Harris ihre Briefe an Crowley fast immer ab. Was Crowley anbelangt, liegen wesentlich weniger Briefe vor als von Harris, doch seine Korrespondenz skizziert auch ein anderes Bild von ihm als das wir heute kennen: So beendete er seine Briefe nicht mit dem berühmt-berüchtigten “Do what thou wilt shall be the whole of the Law” („Dein Wille ist Gesetz“), sondern mit den Worten „Love ist the law, love under will“ („Liebe ist das Gesetz, Liebe unter dem Willen). Auch der Brief, den Lady Harris nach Crowley’s Tod am 7. Dezember 1947 an Frederic Mellinger schrieb, zeugt von einem innigen Verhältnis zu Crowley. So schreibt sie, dass Sie Crowley „furchbar vermissen“ werde und erwähnt in diesem Zusammenhang von einem „unersetzlichen Verlust“. Die Tatsache, dass Crowley Harris als seine Nachlassverwalterin bestimmte, spricht ebenso für eine vorhandene Vertrauensbasis.

Lady Frieda Harris traf Crowley erstmals im Jahr 1937.  Ein Jahr später trat Harris dem “Ordo Templis Orientis” (O.T.O.) bei und arbeitete mit ihm zusammen. Die Karten entstanden zwischen 1939 und 1944 unter Crowley’s Anleitung. Vom O.T.O. wurden die Briefe zwischen Crowley und Harris veröffentlicht, die von mir hiermit übersetzen Textpassagen sollen das „wahre“ Verhältnis zwischen dem Enfant Terrible und der Politikersfrau und Künstlerin belegen – oder dem Leser zumindest ermöglichen, sich eine eigene Meinung jenseits von Wikipedia, Mainstream-Medien und Überlieferung zu bilden. So schreibt Lady Frieda Harris am 10. Mai 1939 an Crowley:

Lieber Aleister,

Ihre Sekretärin hat vergessen, mir die Briefe, die Sie mir geschrieben haben, zu senden. Sie hat mich gestern angerufen, um sie mir vorzulesen. Es tut mir ebenso leid, dass ich Ihnen hiermit frank und frei antworten muss, denn ich schätze unsere Freundschaft und Ihre Unterweisungen sehr, doch diese wird durch Ihre ständigen Versuche, mich als Ihre finanzieller Unterstützerin zu gebrauchen, vollkommen zerstört. Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, dass ich selbst nur ein wöchentliches Taschengeld zur Verfügung habe und ich Ihnen davon alles gegeben habe, was ich ansparen konnte.

Wenn Sie den Tarot als ein Mittel betrachten, um an Geld zu kommen, und meine Position hierfür gebrauchen möchten – dann tut es mir leid, aber ich bin nicht das geeignete Mittel für eine solch ein Vorhaben, da ich anonym bleiben und keine Aufmerksamkeit erregen möchte, wenn die Karten der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Ihre Bücher sind wunderbar, aber Sie dürfen nicht erwarten, dass die lesende und materialistische Welt sie kauft, da sie nicht nachdenken möchte und ….

Das Ende des Briefes fehlt, möglicherweise fehlt hier eine Kopie aus der Sammlung. (Fortsetzung folgt in Kürze).

Hier noch ein Artikel über Crowley aus “Welt online”: Die darin aufgestellten Behauptungen sind bislang nicht bekannt, geschweige denn nachgewiesen. Hajo Banzhaf erklärte seinerseits mir, dass das Gespräch mit dem Journalisten in diesem Interview gänzlich anders abgelaufen war und dass er komplett aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wurde. Auch der von ihm schriftliche Stellungnahme zu dem Artikel, den er der Redaktion sendete, wurde zwar veröffentlicht, aber entsprechend gekürzt und sinnentstellt.  Um wem genau es sich bei den (häufig selbst ernannten) “Sektenexperten” handelt, ist – wie so häufig – natürlich auch nicht bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass es sich um Kirchenvertreter handelt: Welt-Online: So macht man einen Satanisten sympathisch.